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23.06.2006

Leitsätze zur Guten fachlichen Praxis (GfP) im Kleingarten

Grundlagen

Ungeachtet der Notwendigkeit von Schutzgebieten für den Erhalt der biologischen Vielfalt stellt sich die Frage, wie eine umwelt- und naturverträgliche Landbewirtschaftung auf Flächen außerhalb von Schutzgebieten aussehen müsste, damit sie mit den Zielen des Umwelt- und Naturschutzes vereinbar ist. Seit Jahrzehnten formulieren die Grundsätze der „Guten fachlichen Praxis“ das Verhältnis zwischen Naturschutz und Agrarwirtschaft. „Gute fachliche Praxis“ ist kein statischer Zustand, sondern ein dynamisches System, das sich auf der Grundlage neuer Erkenntnisse und praktikabler Verfahren ständig weiterentwickelt.

Im Rahmen der in Rio verabschiedeten Agenda 21, die einen nachhaltigen und ressourcenschonenden Umgang mit Natur und Umwelt verankert, stellt sich auch die Frage, welche Mindestanforderungen aus der Sicht des Umwelt- und Naturschutzes an eine ordnungsgemäße Bewirtschaftung kleingärtnerisch genutzter Flächen zu stellen sind.

Der Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e. V. konkretisiert in den vorliegenden Leitsätzen die Grundsätze der „Guten fachlichen Praxis“ im Bereich kleingärtnerisch bewirtschafteter Flächen. Beratung und Fortbildung müssen weiterhin in Richtung einer angepassten, naturverträglichen Kleingartenbewirtschaftung ausgebaut werden. Die Grundsätze der „Guten fachlichen Praxis“ sind für eine gezielte Fachberatung in den Kleingärtnervereinen unverzichtbar. Ziel aller Maßnahmen ist ein nachhaltiger Umgang mit natürlichen Ressourcen zur Gewährleistung einer dauerhaften Gartennutzung auch für nachfolgende Generationen.

a) Naturschutz
Kleingartenanlagen und kleingärtnerisch genutzte Flächen müssen in Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege einbezogen werden. Dazu gehört

die Schaffung von Refugien und Kleinstbiotopen auf Kleingartenflächen ebenso wie die Einbindung von Kleingartenanlagen in Biotopvernetzungen (Biotopverbundflächen). Die natürliche Ausstattung der kleingärtnerischen Nutzfläche (Boden, Wasser, Flora, Fauna) soll nicht über das zur Erzielung eines nachhaltigen Ertrages erforderliche Maß hinaus beeinträchtigt werden. Die zur Biotopvernetzung erforderlichen Landschaftselemente (Gemeinschaftsflächen) sollen erhalten und vermehrt werden.

b) Bodenschutz
Die nachhaltige Sicherung der Bodenfruchtbarkeit und der Leistungsfähigkeit des Bodens als natürlicher Ressource ist Grundsatz aller Bodenschutzmaßnahmen. Dazu gehört, dass die Bodenstruktur erhalten oder verbessert wird, Bodenverdichtungen und Bodenversiegelungen in Kleingartenanlagen auf ein Mindestmaß reduziert werden, die biologische Aktivität des Bodens durch entsprechende Fruchtfolgegestaltung erhalten oder gefördert wird und der standorttypische Humusgehalt des Bodens, insbesondere durch eine ausreichende Zufuhr an organischer Substanz oder durch Reduzierung der Bearbeitungsintensität erhalten wird.

c) Düngung
Regelmäßige Bodenuntersuchungen und Erstellung von Nährstoffbilanzen sind Voraussetzungen einer bedarfsgerechten Düngung. Organischen Düngern (Kompost, Stalldung, Mulchmaterial) ist im Sinne einer Kreislaufbewirtschaftung des Gartens Vorzug zu geben. Stickstoffhaltige Düngemittel sollen so ausgebracht werden, dass die Nährstoffe möglichst verlustfrei und in einer am Bedarf der Pflanzen orientierten Menge verfügbar werden.

d) Pflanzenschutz
Pflanzenschutz im Kleingarten dient der Gesunderhaltung von Pflanzen und Pflanzenerzeugnissen durch vorbeugende Maßnahmen und Abwehr oder Bekämpfung von Schadorganismen. Gefahren, die durch die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln für die Gesundheit von Mensch und Tier und für den Naturhaushalt entstehen können, müssen abgewehrt werden. Dazu gehört, dass alle Pflanzenschutzmaßnahmen standort-, kultur- und situationsbezogen durchgeführt und die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln auf das notwendige Maß beschränkt werden. Zur Schadensminderung sollen alle bewährten kulturtechnischen und andere nichtchemischen Maßnahmen genutzt werden. Es soll durch Pflanzenschutzmaßnahmen grundsätzlich eine Reduzierung, keine Elimination von Schaderregerpopulationen angestrebt werden.

e) Gentechnisch veränderte Organismen (GVO)
Regeln der "Guten fachlichen Praxis" gibt es für den Anbau und die Verarbeitung von gentechnisch veränderten Pflanzen bisher nicht. Allgemeine Anforderungen zählt das Gentechnikgesetz (GenTG) auf, die beim Umgang mit GVO als gute fachliche Praxis gelten können. Bei Aussaat und Ernte von gentechnisch veränderten Pflanzen müssen Landwirte Maßnahmen ergreifen, um ein Auskreuzen in andere Kulturen und Wildpflanzen benachbarter Flächen zu vermeiden, z. B. durch Mindestabstände, Sortenwahl oder natürliche Pollenbarrieren. Durchwuchs, also das Aufkeimen von Samen im Folgejahr, ist zu bekämpfen. Konkrete Vorgaben – etwa für Abstandsflächen zwischen gentechnisch veränderten und konventionellen Pflanzen – gibt es nicht. Der Bundesverband Deutscher Gartenfreunde spricht sich zur Zeit gegen den Anbau gentechnisch veränderter Organismen im Haus- und Kleingarten aus, da die Folgen der Verbreitung gentechnisch veränderter Pflanzen im Freizeitgartenbereich anhand konkreter Kulturpflanzen bisher nicht analysiert sind.

f) Biologische Vielfalt und genetische Ressourcen
Viele alte Kulturpflanzenarten und -sorten sind aus dem Erwerbsgartenbau verschwunden, da sie den Anforderungen an eine industrialisierte Kulturführung nicht mehr genügen. Im Kleingarten dagegen sind andere Pflanzeneigenschaften – wie zum Beispiel eine über einen langen Zeitraum verteilte Abreife zur kontinuierlichen Versorgung – gewünscht. Mit dem Verschwinden alter Kulturpflanzenarten und -sorten geht oft auch das Wissen um ihren Anbau und die Verarbeitung verloren. Diese neu zu erwerben oder zu erhalten ist eine besondere Herausforderung für den interessierten Kleingärtner. Dazu kann auch die Gewinnung von eigenem Saat- und Pflanzgut gehören, um es erneut zu verwenden oder aber, um es „über den Gartenzaun“ mit Gleichgesinnten zu tauschen. Kleingartenanlagen sollen stets auch Refugien zum Erhalt der Artenvielfalt bei Wildflora und -fauna bieten.

g) Kultur- Pflege- und Anbaumaßnahmen
Kultur- und Anbaumaßnahmen im Kleingarten sollen zeit- und fachgerecht erfolgen. Standortgerechte Pflanzenkulturen, gesundes Saat- und Pflanzgut, sinnvolle Fruchtfolge, Mischkultur sowie optimale Saat- und Pflanztermine vermindern nicht nur den Pflegeaufwand, sondern auch den Aufwand für Düngung, Pflanzenschutz und Bewässerung. Jahresniederschläge sollen optimal genutzt und bevorratet werden. Gießen und Sprengen sollen beschränkt, die Nutzung von Trinkwasser zur Gartenbewässerung vermieden werden. Im Kleingarten steht die Maximierung der Erträge nicht im Vordergrund.

 

Präsidiums des Bundesverbandes Deutscher Gartenfreunde, Berlin, den 23.06.2006


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